Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung: Ohne geht es nicht mehr.
Was früher in vielen Betriebsprüfungen (BP) noch eine Randnotiz war, ist heute ein zentraler Prüfungsgegenstand, mit teils massiven steuerlichen Folgen. Die Prüferinnen und Prüfer werden gezielt im Bereich Verrechnungspreise geschult. In der Praxis zeigt sich: Wer keine Dokumentation und konsistente Preislogik vorweisen kann, riskiert hohe Hinzuschätzungen.
Internationale Aufstellung trifft auf klare Anforderungen
Unternehmen sind globaler denn je. Entsprechend wächst der Fokus der Finanzverwaltung. Das BMF hat mit den Verwaltungsgrundsätzen Verrechnungspreise 2023 ein rund 830‑seitiges Regelwerk etabliert, das den Fremdvergleich, Funktionsverlagerungen und Konzernfinanzierungen klarer fasst. 2024 folgte eine Erweiterung zur Anwendung auf Finanzierungsbeziehungen zusammen mit dem Pillar One - Amount B Ansatz (Anlage 4).
Konkrete Rechtsprechung (BFH-Urteil)
Ein neueres Urteil des BFH (I R 54/19 vom 9. August 2023) verdeutlicht, wie konsequent die Finanzverwaltung Verrechnungspreise in Prüfungen hinterfragt. Im Fall einer deutschen GmbH, die Material an ihre ausländische Schwestergesellschaft lieferte, strich das Finanzamt gewährte Rabatte und setzte einen Gewinnaufschlag an. Zudem wurde die Übertragung einer Kundenbeziehung ohne Gegenleistung als mögliche verdeckte Gewinnausschüttung gewertet.
Der BFH beanstandete die fehlende Begründung für die Erhöhung des Gewinnaufschlags und stellte klar, dass die Prüfung einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) Vorrang vor §1 AStG hat. Auch indirekte Vorteile wie Standortvorteile oder die unentgeltliche Übertragung von Kundenbeziehungen sind fremdüblich zu vergüten.
Für die Praxis bedeutet dies: Verrechnungspreise müssen nicht nur formal dokumentiert, sondern auch methodisch und wirtschaftlich fundiert sein. Neben Haupttransaktionen sind auch Nebeneffekte wie Rabatte oder Funktionsverlagerungen prüfungsrelevant. Wer diese Punkte nicht berücksichtigt, riskiert hohe Hinzuschätzungen.
Wer seine Verrechnungspreispolitik nur formal behandelt, riskiert teure und langwierige Auseinandersetzungen, ganz im Sinne des Titels: „Ohne geht es nicht mehr“.
Neuregelung der Verrechnungspreisdokumentation
Parallel hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren verfahrensrechtlich nachgeschärft. Die Dokumentationspflichten für Verrechnungspreise als Prüfungsgrundlage wurden erweitert.
Durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz vom 29. Oktober 2024 wurde die Transaktionsmatrix in § 90 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO als verpflichtender Bestandteil des Local Files festgeschrieben. Dabei handelt es sich um eine tabellarische Übersicht, die detaillierte Informationen zu grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen des Steuerpflichtigen mit nahestehenden Personen und Betriebsstätten enthält. Anwendbar ist die Änderung ab dem 1. Januar 2025. Die Transaktionsmatrix ist dann aber für den gesamten BP-Zeitraum, also auch für Jahre vor 2025 zu erstellen und ohne Anforderung dem Prüfer vorzulegen.
Die Intention des Gesetzgebers ist klar: Je strukturierter und nachvollziehbar die Informationen, desto effizienter der Prüfungsverlauf.
Folge einer Verrechnungspreiskorrektur: Anzeige- und Berichtigungspflichten
Für den Fall, dass die Verrechnungspreise aufgrund einer Prüfung angepasst werden, sehen wir vermehrt, dass die Finanzbehörden für die Folgejahre des BP-Zeitraums eine Korrektur erwarten.
Ob diese Korrekturpflicht für die Folgejahre tatsächlich besteht, muss für jeden Einzelfall abgeklärt werden. Ein Automatismus besteht nicht. So ist umstritten, ob der neue § 153 Abs. 4 AO, der ab 2025 anzuwenden ist, für Verrechnungspreissachverhalte überhaupt Geltung entfaltet. § 153 Abs. 4 AO sieht eine Berichtigungspflicht vor, wenn unanfechtbare Prüfungsfeststellungen zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führen.
Im Konfliktbereich zwischen der unklaren Rechtslage und der Erwartungshaltung der Finanzbehörden ist eine saubere Prüfung der Korrekturvorschriften zwingend, sowohl von § 153 Abs. 1 als auch Abs. 4 AO. Denn die Verletzung etwaiger Korrekturpflichten ist strafbewehrt.
Handlungsempfehlungen: So wird Ihr Unternehmen prüfungsfest
Mit einer guten Vorbereitung kann man Konflikte vermeiden oder zumindest entschärfen. Aus unserer Beratungspraxis ergeben sich folgende Empfehlungen:
- Aktualität sicherstellen: Verrechnungspreise und ihre Dokumentation sollten regelmäßig überprüft und angepasst werden, insbesondere nach Umstrukturierungen, Funktionsverlagerungen oder Änderungen in der Wertschöpfungskette.
- Interdisziplinär arbeiten: Eine tragfähige Verrechnungspreisdokumentation braucht Input aus Steuerabteilung, Controlling, Recht und operativem Geschäft.
- Kommunikation vorbereiten: Im Vorfeld empfiehlt sich ein interner Review der Verrechnungspreisdokumentation. Auch die strategische Vorbereitung auf kritische Themen (zum Beispiel Lizenzmodelle, Dienstleistungsverrechnung) ist entscheidend.
- Wirtschaftlich begründen: Dokumentationen sollten nicht nur formal, sondern auch inhaltlich belastbar sein. Die Methodenwahl, die Auswahl von Vergleichsdaten und die Annahmen müssen plausibel und nachvollziehbar begründet sein.
Wer so vorgeht, reduziert Streitpotenzial und erhöht die Verteidigungsfähigkeit in der BP. Wenn die Verrechnungspreise erfolgreich verteidigt werden können, fehlt die Notwendigkeit für eine Korrektur.
Fazit
Verrechnungspreise sind längst kein Spezialthema mehr, sondern Teil des steuerlichen Pflichtprogramms, vor allem in der BP. Unternehmen sollten das Thema nicht erst dann aufgreifen, wenn der Prüfer bereits vor der Tür steht.