Kein absolutes Verwertungsverbot trotz Betriebsvereinbarung und Datenschutzbedenken

Im Sommer 2022 sorgte eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Niedersachsen (Az. 8 Sa 1148/20) für einige Unruhe bei Arbeitgebern. Hatte es doch recht umfangreiche Beweisverwertungsverbote im Kündigungsschutzprozess für datenschutzwidrig erlangte Erkenntnisse angenommen. Diese Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 29. Juni 2023 (Az. 2 AZR 296/22) erfreulicherweise aufgehoben und Klarheit hinsichtlich von Verwertungsverboten bei Datenschutzverstößen geschaffen.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall ging es zunächst um einen Verdacht des Arbeitszeitbetruges. Durch einen anonymen Hinweis wurde die Arbeitgeberin darauf aufmerksam gemacht, dass Mitarbeiter sich einstempelten und dann teilweise sogar vor Schichtbeginn das Werksgelände wieder verließen.

Die Arbeitgeberin hatte den Zugang zum Werksgelände so geregelt, dass beim Betreten des Werksgeländes ein Drehkreuz per Kartenlesegerät freigeschaltet wurde. Eine Betriebsvereinbarung regelte, dass keine personenbezogene Auswertung des Zugangssystems erfolgen durfte und zudem wurde auf die Videoüberwachung des Drehkreuzes mit einem Piktogramm gut erkennbar hingewiesen.

Nach Auswertung der Daten des Zugangssystems und der Videoaufzeichnungen hatte die Arbeitgeberin festgestellt, dass der Mitarbeiter das Werksgelände schon vor Schichtbeginn wieder verlassen hatte, gleichwohl er während der gesamten Schicht als anwesend geführt wurde.

Nachdem die Arbeitgeberin dem Mitarbeiter außerordentlich und hilfsweise ordentlich gekündigt hatte, wandte dieser sich an die Arbeitsgerichte. Sowohl das AG Hannover als auch das LAG Niedersachen gaben seiner Kündigungsschutzklage statt und nahmen ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der Videoaufzeichnung und den Daten des Zugangssystems an.

Die Arbeitgeberin ging in Revision und bekam nun vor dem BAG Recht. Das BAG hält fest, dass die Arbeitgeberin eben nicht gehindert war, sich im Kündigungsschutzprozess auf die Videoaufzeichnung und die Daten des Zugangssystems zu stützen.

Das BAG äußert sich erfreulich deutlich: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung könne nicht zu dem alleinigen Zweck in Anspruch genommen werden, sich der Verantwortung für vorsätzliches rechtswidriges Handeln zu entziehen. Datenschutz sei kein Täterschutz, so das BAG.

Es bedürfe stets einer Interessenabwägung im Einzelfall zwischen dem Auswertungsinteresse des Arbeitsgebers und dem Schutzinteresse des Arbeitnehmers. Und in diesem Fall überwiege das Interesse des Arbeitgebers.

Das BAG hat noch etwas anderes Wichtiges festgehalten. Der Ausschluss der personenbezogenen Auswertung in der Betriebsvereinbarung helfe auch nicht, denn dieser sei mit dem Recht zur außerordentlichen Kündigung und der DSGVO nicht vereinbar und daher unwirksam.

Die Entscheidung des BAG stellt die logische Konsequenz in einer Reihe von Urteilen der letzten Jahre hinsichtlich der DSGVO dar. Auf der einen Seite schafft es eine begrüßenswerte Klarheit hinsichtlich etwaiger Beweisverwertungsverbote und auf der anderen Seite stellt es klar, dass es keinen Freifahrtschein für Arbeitgeber zur rechtswidrigen Überwachung von Arbeitnehmern gibt.

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Ausgabe 10/2023