Umsatzsteuer-Compliance: Finanzverwaltung zu verspäteter ZM-Abgabe und Beteiligung an Hinterziehung

Die hier dargestellte Sichtweise der Finanzverwaltung, bis zu welchem Zeitpunkt eine korrekte Zusammenfassende Meldung (ZM) abgegeben werden darf und die umfassenden Äußerungen zur Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung, verdeutlichen einmal mehr die Wichtigkeit eines wirksamen (Tax) Compliance Management Systems. Denn bei nicht Beachtung der gesetzlichen Regelungen drohen Bußgelder oder sogar die Versagung der Steuerfreiheit oder des Vorsteuerabzugs.

Folgen einer verspäteten ZM-Abgabe

Eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der EU (innergemeinschaftliche Lieferung) ist grundsätzlich umsatzsteuerfrei. Dies gilt jedoch ab 2020 nicht, wenn der Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der ZM nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig abgegeben hat.

Nach § 18a Abs. 10 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine fehlerhafte ZM innerhalb eines Monats zu berichtigen, wenn der Unternehmer nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist. Bisher versagte die Verwaltung die Steuerfreiheit final, wenn keine ZM abgegeben oder eine fehlerhaft abgegebene ZM nicht innerhalb der Monatsfrist korrigiert wurde.

Nach der neuen Sichtweise der Finanzverwaltung gilt: Wird eine nicht fristgerecht abgegebene ZM erstmalig für den betreffenden Meldezeitraum richtig und vollständig abgegeben, liegen in diesem Zeitpunkt erstmals die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung vor. Die erstmalige Abgabe und die Berichtigung einer fehlerhaften ZM innerhalb der Festsetzungsfrist entfalten für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung.

Es ist zu beachten, dass die Meldung der innergemeinschaftlichen Lieferungen in der richtigen Periode erfolgt. Eine Korrektur in der aktuellen ZM ist nicht ausreichend. Es kann daher in bestimmten Fällen erforderlich sein sowohl die Voranmeldung als auch die ZM rückwirkend zu berichtigen.

Die Entschärfung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen hinsichtlich der rechtzeitigen Abgabe bzw. der Fristen einer Korrektur von Fehler in einer ZM sind für die Praxis hilfreich. Trotzdem ist die Meldung der innergemeinschaftlichen Lieferungen fristgerecht und vollständig einzureichen, denn die rückwirkende Gewährung der Steuerbefreiung im Veranlagungsverfahren schließt ein Bußgeldverfahren durch das Bundeszentralamt für Steuern nicht aus.

Beteiligung an einer Steuerhinterziehung

Zum 1. Januar 2020 wurde § 25f UStG zur Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung bei Beteiligung an einer Steuerhinterziehung neu eingeführt. Die Finanzverwaltung konkretisiert nun die Voraussetzungen.

Demnach sind einem Unternehmer der geltend gemachte Vorsteuerabzug und die in Anspruch genommene Steuerbefreiung für die entsprechende innergemeinschaftliche Lieferung zu versagen, wenn

  • der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen,
  • dass er mit seinem Eingangs- oder Ausgangsumsatz auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe
  • in eine begangene Hinterziehung einbezogen war.

Anhaltspunkte für eine Umsatzsteuerhinterziehung liegen nach Auffassung der Finanzverwaltung unter anderem dann vor, wenn

  • der Unternehmer durch einen Dritten gebeten wird, sich an Umsätzen zu beteiligen, bei denen der Dritte die Rahmenbedingungen für das Umsatzgeschäft vorgibt (z. B. Vermittlung von Beteiligten, Vorgabe von Einkaufs-/Verkaufspreisen, Zahlungsmodalitäten oder Liefer- bzw. Leistungswegen);
  • die Finanzierung des Wareneinkaufs erst nach erfolgtem Warenverkauf möglich ist;
  • (angebotene) Mehrfachdurchläufe von Waren festgestellt werden;
  • dem Unternehmer Waren bzw. Leistungen angeboten werden, deren Preis unter dem Marktpreis liegt;
  • branchenunübliche Barzahlungen oder eine ungewöhnliche Zahlungsabwicklung erfolgen;
  • die Ansprechpartner in den Unternehmen oder die Ansprechpartner die Unternehmen häufigwechseln;
  • bei den Beteiligten berufliche Erfahrung und Branchenkenntnis fehlen;
  • die Beteiligten wiederholt ihren Unternehmenssitz verlegen;
  • Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Beteiligten bestehen (z. B. aufgrund von Abweichungen des Gesellschaftszwecks oder der Geschäftsadressen zu den Angaben laut Handelsregister);
  • der Gesellschaftszweck laut Handelsregister nicht dem tatsächlich ausgeübten Gesellschaftszweck entspricht;
  • dem Unternehmer eine Warenmenge oder ein Leistungsumfang angeboten wird, die für die Größe des Unternehmens in der Branche unüblich ist (z. B. ungewöhnlich hohe Stückzahlen trotz Neugründung);
  • die Beteiligten über keine ausreichenden Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme verfügen (z. B. Website ohne Impressum, Rufnummer oder E-Mail-Adresse);
  • ungewöhnliche Leistungsbedingungen vorliegen (z. B. die Leistungen werden von einem oder an einen nicht an dem Umsatz beteiligten Unternehmen erbracht);
  • durch den Unternehmer über zugängliche Informationsquellen (z. B. Internetrecherche) festgestellt werden kann, dass die Anlieferung der Waren an die vom Abnehmer angegebene Lieferadresse nicht möglich erscheint.

Grundsätzlich wird einem Unternehmer Vertrauensschutz gewährt, wenn er alle Maßnahmen getroffen hat, die von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens einbezogen sind. Sind für den Unternehmer jedoch Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten erkennbar, muss er geeignete Maßnahmen ergreifen (z. B. Auskünfte einholen) und dies dokumentieren. Das gilt sowohl bei der Aufnahme neuer als auch bei bestehenden Geschäftsbeziehungen. Unterlässt der Unternehmer geeignete Maßnahmen trotz bestehender Zweifel und geht er eine Geschäftsbeziehung ein oder führt er diese fort, geht die Finanzverwaltung von der Kenntnis oder fahrlässigen Unkenntnis des Unternehmers aus.

Das Finanzamt trägt die Beweislast für die Verwicklung in eine Umsatzsteuerhinterziehung oder in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens.

In unserer Veranstaltung „Wende – zu sehen in der Umsatzsteuer!“ am 25. Oktober 2022 (RWT vor Ort) und am 10. November 2022 (Webinar) werden wir die oben genannten Neuerungen nochmal in einen Gesamtkontext einbetten und Sie auf weitere Tax-Compliance-Themen innerhalb des Bereichs der Umsatzsteuer hinweisen.

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Ausgabe 10/2022