Keine Verlustnutzung in 2022 bei PV-Anlagen? Finanzgericht sieht rückwirkende Steuerfreistellung als zulässig an
Mit § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wurde zum 1. Januar 2022 rückwirkend eine Steuerbefreiung für die meisten kleinen Photovoltaikanlagen eingeführt. Das Problem: Entstehen im Jahr 2022 Verluste, sollen diese nicht berücksichtigt werden. Doch ist die rückwirkende Einführung dieser Norm überhaupt verfassungsgemäß? Mit dieser Frage hat sich nun das Finanzgericht Düsseldorf beschäftigt.
Hintergrund
In der aktuellen Fassung lautet § 3 Nr. 72 S. 1 EStG wie folgt:
„Steuerfrei sind die Einnahmen und Entnahmen im Zusammenhang mit dem Betrieb von auf, an oder in Gebäuden (einschließlich Nebengebäuden) vorhandenen Photovoltaikanlagen, wenn die installierte Bruttoleistung laut Marktstammdatenregister bis zu 30 Kilowatt (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit und insgesamt höchstens 100 Kilowatt (peak) pro Steuerpflichtigem oder Mitunternehmerschaft beträgt.”
Sachverhalt
Die Eheleute legten gegen ihren Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2022 Einspruch ein. Sie machten geltend, negative Einkünfte aus dem Betrieb einer PV-Anlage in Höhe von 2.902,32 Euro seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Die Anlage wurde im Dezember 2022 an das Stromnetz angeschlossen und wird seitdem mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben.
Im Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 war eine Steuerbefreiung jedoch erst ab dem 1. Januar 2023 vorgesehen. Erst mit der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 30. November 2022 wurde die Befreiung auf den 1. Januar 2022 vorgezogen. Es liege eine rückwirkende, belastende Rechtsänderung vor, da den Betreibern dadurch die im Anschaffungsjahr 2022 fest eingeplante Steuerminderung aus der Sonderabschreibung nachträglich „genommen” werde und dadurch eine echte Liquiditätsbelastung entsteht. Die Rückwirkung sei nicht gerechtfertigt.
Da das Finanzamt diese Sichtweise nicht teilte, erhoben die Eheleute Klage. Doch auch vor dem Finanzgericht Düsseldorf waren sie nicht erfolgreich.
Das Rückwirkungsverbot findet keine Anwendung. Die Einführung von § 3 Nr. 72 EStG zum 1. Januar 2022 ist verfassungsgemäß.
Dies liegt unter anderem daran, dass die Steuerbefreiung nach Auffassung des Finanzgerichts nicht als belastende Maßnahme einzuordnen ist. Sie betrifft nur PV-Anlagen, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden. Weil diese langfristig meistens einen Totalgewinn erzielen, wird zunächst die Anerkennung eines Verlusts versagt (wie im Streitfall). In späteren Jahren müssen die (oft deutlich höheren) Gewinne jedoch nicht versteuert werden. Damit wirkt § 3 Nr. 72 EStG bezogen auf den Gesamtzeitraum steuerentlastend und eben nicht steuerbelastend.
Beachten Sie: Auch die zwischenzeitlichen gesetzgeberischen Bestrebungen, die Steuerfreistellung erst ab dem 1. Januar 2023 einzuführen, ändern daran nichts.
Die Eheleute wollen sich mit dieser Entscheidung jedoch nicht abfinden und haben Revision eingelegt.
Zudem muss sich der Bundesfinanzhof demnächst mit einer anderen Frage in diesem Zusammenhang befassen. Wie sind „nachlaufende“ Betriebsausgaben zu behandeln? Ein Beispiel hierfür ist eine im Jahr 2022 geleistete Umsatzsteuer-Nachzahlung für das Jahr 2021.
RWTkompakt Ausgabe Oktober 2025