Aktuelle Entwicklungen in der Offenlegung von Jahresabschlüssen
In den letzten Monaten haben sich die Gerichte erneut in zwei bemerkenswerten Urteilen zu Streitfragen im Zusammenhang mit der Offenlegung von Jahresabschlüssen (§ 325 ff. HGB) geäußert.
Nach § 325 HGB haben die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft oder haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaft für die Gesellschaft den festgestellten Jahresabschluss, gegebenenfalls ergänzt um weitere Unterlagen wie zum Beispiel den Lagebericht, den Bestätigungsvermerk oder den Vermerk über dessen Versagung einzureichen. Die Unterlagen sind spätestens ein Jahr nach dem Abschlussstichtag des Geschäftsjahres, auf das sich die Unterlagen beziehen, bei der das Unternehmensregister führenden Stelle einzureichen. Zur Aufnahme in das Unternehmensregister sind die Unterlagen elektronisch zu übermitteln.
Die oben genannten Pflichten gelten entsprechend für die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft, die einen Konzernabschluss und einen Konzernlagebericht aufzustellen haben.
Die zu übermittelnden Unterlagen unterliegen der Prüfung durch die das Unternehmensregister führenden Stelle (§ 329 HGB).
Diese Prüfungspflicht war Gegenstand einer Entscheidung des LG Bonn vom 1. August 2023 (33 T 52/23), welches in seinem Beschluss die Prüfungsbefugnis (§ 329 HGB) der das Unternehmensregister führenden Stelle deutlich einschränkte.
Die gesetzlichen Vertreter einer Kleinstkapitalgesellschaft hatten ihre Bilanz zur Hinterlegung eingereicht und dabei die Software DATEV verwendet, die vom Anwender die Angabe verlangt, ob die Zahl der Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt unter 10 lag und ob die Umsatzerlöse unter 700.000 Euro lagen. Die aus der eingereichten Bilanz ersichtliche Bilanzsumme betrug 411.196,52 Euro und wich damit nur leicht von dem maßgebenden Schwellenwert (§ 267a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB) in Höhe von 350.000 Euro ab.
Die das Unternehmensregister führende Stelle kann die Mitteilung der Umsatzerlöse sowie der durchschnittlichen Mitarbeiterzahl verlangen, wenn sich bei der Prüfung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Erleichterungen zu Unrecht in Anspruch genommen wurden. Unterlässt die Gesellschaft die fristgerechte Mitteilung, gelten die Erleichterungen als zu Unrecht in Anspruch genommen (Fiktion).
Im vorliegenden Fall hat das LG Bonn entschieden, dass die Nachfrage der das Unternehmensregister führenden Stelle rechtswidrig war, da durch die Prüfung gerade kein Anlass zur Annahme einer zu Unrecht in Anspruch genommenen Erleichterung bestand. Infolgedessen greift auch nicht die Fiktion des § 329 Abs. 2 Satz 2 HGB, wonach die Erleichterungen als zu Unrecht in Anspruch genommen gelten.
Das Gericht führte aus, dass dem Betreiber des Unternehmensregisters die Funktionsweise des von sehr vielen Einreichern verwendeten DATEV-Programms bekannt ist. Er müsse daher davon ausgehen, dass er auf eine Anfrage keine andere Antwort erhalte, als jene, die der Einreicher bereits in das DATEV-Programm auf dessen Eingabeaufforderung hin eingegeben habe, nämlich dass der Umsatz unter 700.000 Euro und die Zahl der Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt unter 10 gelegen habe. In einer solchen Fallkonstellation ist das Tatbestandsmerkmal "gibt die Prüfung Anlass zu der Annahme..." nicht erfüllt, sodass die Nachfrage der registerführenden Stelle rechtswidrig war und die Fiktion nach § 329 Abs. 2 S. 2 HGB nicht zu Lasten der betroffenen Gesellschaft greifen kann.
Die Entscheidung des LG Bonn ist zu begrüßen. DATEV wird flächendeckend und insbesondere für Zwecke der Offenlegung von Abschlüssen von Kleinstkapitalgesellschaften beziehungsweise kleinen Kapitalgesellschaften eingesetzt. Die Berufung auf die Kenntnis über die Funktionsweise des DATEV-Programms dürfte daher – hoffentlich – in Zukunft zu weniger Rückfragen durch den Betreiber des Unternehmensregisters führen.
In einem weiteren Urteil entschied das OLG Köln mit Beschluss vom 9. April 2024 (28 Wx 2/24), dass die Einreichung eines irrtümlich als vor Feststellung bezeichneten Jahresabschlusses nicht der Offenlegungspflicht der §§ 325 f. HGB genügt.
Die beim Betreiber des Bundesanzeigers zur Hinterlegung eingereichten Jahresabschlussunterlagen 2018 enthielten im Anhang für das Geschäftsjahr 2018 unter „IV. sonstige Angaben" folgende Angabe: „Der Jahresabschluss ist vor der Veröffentlichung noch nicht festgestellt worden".
Obwohl sich herausstellte, dass diese Anhangangabe „vor Feststellung“ irrtümlich erfolgte, blieb der Einspruch gegen die Verhängung des Ordnungsgeldes wegen unterlassener Einreichung der von § 325 HGB geforderten Jahresabschlussunterlagen erfolglos.
Aus dem vorliegenden Urteil geht hervor, dass nur ein festgestellter Jahresabschluss die Anforderungen an die Offenlegungspflichten erfüllt. Die strengen formellen Anforderungen, die an die Erfüllung der Offenlegungspflicht gestellt werden, dienen der Sicherstellung der Publizitätswirkung des Unternehmensregisters. Ein nicht festgestellter (oder irrtümlich als solcher bezeichneter) Jahresabschluss genügt der Offenlegungspflicht nicht.
Bei Fragen rund um die Offenlegung beziehungsweise Hinterlegung von Jahresabschlüssen wenden Sie sich gerne an Ihren RWT-Ansprechpartner.
RWTkompakt Ausgabe Mai 2025