Verschärfungen beim grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern

In Zeiten der Coronakrise ist eine Verschärfung der Regelungen beim grenzüberschreitenden Einsatz von Arbeitnehmern zum 30.07.2020 von vielen unbemerkt geblieben. Dies kann böse Folgen haben. Grund genug, Ihnen die wesentlichen Grundsätze aufzuzeigen. 

Die gute Nachricht vorab: Im Bereich der Sozialversicherung ändert sich nichts. Wenn Arbeitnehmer kurzzeitig im Ausland eingesetzt werden, z.B. für Montagetätigkeiten, bleiben diese in der Regel auch während dieses Auslandseinsatzes in der deutschen Sozialversicherung. Das kann über eine förmliche Bescheinigung bestätigt werden, innerhalb der Geltung europäischen Rechts wird diese „A1-Bescheinigung“ genannt. 

Was viele Unternehmen nicht auf dem Schirm haben: Im europäischen Recht gibt es eine Entsende-Richtlinie nebst Änderungsrichtlinie mit Vorgaben zum Schutz der Arbeitnehmerrechte bei grenzüberschreitender Entsendung. Die Vorgaben dieser Richtlinien sind in den verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) ganz unterschiedlich umgesetzt worden. Auch in den weiteren Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) und der Schweiz gibt es entsprechende Gesetze mit ganz unterschiedlichen Regelungen. 

In vielen dieser Länder bestehen weitreichende Melde- und Dokumentationspflichten bis hin zur Verpflichtung, umfangreiche Dokumente einschließlich der A1-Bescheinigung vorzuhalten oder mitzuführen und eine Kontaktperson im jeweiligen Land zu benennen. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder bis hin zum Ausschluss vom ausländischen Markt.

Die wichtigsten Änderungen sind:

1) Bisher mussten bei einem Einsatz von Arbeitnehmern in Deutschland auch von Arbeitgebern im Ausland die Mindestentgeltsätze beachtet werden. Jetzt wurde dies erweitert auf die gesamte Entlohnung einschließlich der Überstundensätze, soweit diese in einer deutschen Rechts- oder Verwaltungsvorschrift oder in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag geregelt sind (ausgenommen sind lediglich Regelungen über betriebliche Altersversorgung)

2) Neu ist, dass nun auch die deutschen Anforderungen an die Unterkünfte von Arbeitnehmern eingehalten werden müssen. Dies gilt immer, wenn ein Arbeitnehmer von seinem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt eingesetzt wird und der Arbeitgeber diesem unmittelbar oder mittelbar, entgeltlich oder unentgeltlich eine Unterkunft zur Verfügung stellt. Dafür reicht schon die bloße Vermittlung einer Mietwohnung aus.

3) Neu ist auch, dass nun auch die deutschen Regelungen zu Zulagen oder Kostenerstattungen zur Deckung von Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen von ihrem Wohnort entfernt sind, zu beachten sind. Gleiches gilt für die deutschen Regelungen zur Anrechenbarkeit von Entsendezulagen. Einzige Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass diese Regelungen in einer deutschen Rechts- oder Verwaltungsvorschrift oder in einem für allgemeinverbindlich erklärten oder durch Rechtsverordnung auf Arbeitgeber mit Sitz im Ausland erstreckten Tarifvertrag geregelt sind.

4) Es wird klargestellt, dass diese Regelungen auch bei Arbeitnehmerüberlassung gelten.

5) Bei längerer Entsendung nach Deutschland werden die anwendbaren Arbeitsbedingungen erheblich erweitert: Für länger als 12 Monate in Deutschland beschäftigte Arbeitnehmer von Arbeitgebern mit Sitz im Ausland gelten trotz Anwendbarkeit ausländischen Rechts zusätzlich alle Arbeitsbedingungen, die am Beschäftigungsort in Deutschland in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften oder allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen vorgeschrieben sind (ausgenommen Regelungen für den Abschluss und die Beendigung des Arbeitsvertrags einschließlich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote und für betriebliche Altersversorgung).

Hinweis: Diese Frist ist einmalig verlängerbar auf 18 Monate durch Mitteilung des Arbeitgebers an die Behörden der Zollverwaltung in Textform in deutscher Sprache mit vorgeschriebenen Angaben.

6) Unterrichtungspflichten des Entleihers bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung in Textform über

  • Beschäftigung im Inland und
  • die wesentlichen Arbeitsbedingungen im Betrieb des Entleihers einschließlich der Entlohnung, soweit keine Abweichung vom Grundsatz der Gleichstellung nach dem Arbeitnehmerüberlassunggesetz (equal pay und equal treatment) vorliegt

7) Anpassung der Melde- und Aufzeichnungspflichten (nur für bestimmte Branchen)

8) Sondervorschrift für Straßenverkehrssektor: weiterhin Geltung bisherigen Rechts (Dies gilt nicht für Werksverkehr!)

Was bedeutet das für deutsche Unternehmen, zu denen Arbeitnehmer aus dem Ausland entsandt werden?

  • Der Einsatz von Arbeitnehmern aus dem Ausland mit niedrigerem Lohnniveau wird voraussichtlich teurer, dadurch dürften sich auch entsprechende Dienst- und Werkverträge mit ausländischen Unternehmen verteuern
  • Die Haftung als Auftraggeber gemäß § 14 AEntG (verschuldensunabhängige Generalunternehmerhaftung für Nettomindestentgelt und Sozialkassenbeiträge wie ein Bürge) bleibt unverändert bestehen
  • Als Entleiher sind erweiterte Melde- und Aufzeichnungspflichten gegenüber den Zollbehörden sowie Auskunftspflichten gegenüber dem Verleiher zu beachten
  • Bei Nichtbeachtung oder Beauftragung hiergegen verstoßender Unternehmen drohen Sanktionen

Was bedeutet das für ausländische Unternehmen, die Arbeitnehmer aus dem Ausland nach Deutschland entsenden?

  • Es sind weitere deutsche Arbeitsbedingungen zu beachten, was zu einem höheren administrativen Aufwand und gegebenenfalls auch zu höheren Kosten führt
  • Bei Entsendungen von mehr als 12 Monaten sind grundsätzlich zusätzliche deutsche Arbeitsbedingungen zu beachten, was zu einem noch höheren administrativen Aufwand und gegebenenfalls noch höheren Kosten führt, ebenso führt die Mitteilung einer Verlängerung auf 18 Monate zu einem weiteren administrativen Aufwand mit entsprechenden Kosten
  • Es sind erweiterte Melde- und Aufzeichnungspflichten (nur für bestimmte Branchen) zu beachten, was zu einem höheren administrativen Aufwand mit entsprechenden Kosten führt
  • Bei Nichtbeachtung etwa aus Unwissenheit drohen verschiedene Sanktionen

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

 

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