Bilanzierung in stürmischen Zeiten – Was Unternehmen im Jahresabschluss beachten sollten

Viele Branchen sind mittlerweile durch die seit mehr als einem Jahr grassierende Corona-Pandemie krisengebeutelt. Dies zeigt sich zusehends in einer sinkenden Eigenkapitalausstattung oder schwindende Liquidität in Unternehmen. Bilanziell rückt für Unternehmen, die sich bereits in einer fortgeschrittenen Krise befinden, die Einschätzung über die Annahme der Unternehmensfortführung (sog. Going-Concern-Prämisse nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) in den Mittelpunkt. 

Nach dem geltenden Insolvenzrecht müssen Unternehmen in solchen Fällen sorgfältig prüfen, ob der Unternehmensfortführung – auf Basis der zur Verfügung stehenden Unterlagen und sonst bekannten Umstände – rechtliche Gegebenheiten wie Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit entgegenstehen mit einer sich daraus ergebenden Insolvenzantragspflicht. Unterbleibt diese Prüfung, so besteht für die Geschäftsführung das Risiko, wegen eines unzulässigerweise zu Fortführungswerten aufgestellten Jahresabschlusses in Haftung genommen oder gar mit strafrechtlichen Konsequenzen konfrontiert zu werden. 

Mit dem seit dem 1. Januar 2021 geltenden Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) hat der Gesetzgeber nunmehr die jüngste Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26. Januar 2017) gesetzlich verankert, wonach auch Erstellern von Jahresabschlüssen, wie Wirtschaftsprüfern oder Steuerberatern, eine entsprechende Prüfungspflicht obliegt. Sie haben die schärferen Anforderungen zukünftig ebenfalls zu beachten. 
 

Was heißt das nun für die Erstellung des Jahresabschlusses? 

In Fällen der Unternehmenskrise kann und darf der Jahressabschluss nur dann zu Fortführungsführungswerten aufgestellt werden, wenn das Unternehmen für die unmittelbare Zukunft (12 Monate) als „durchfinanziert“ angesehen werden kann. Das Unternehmen wird eine explizite Fortführungsprognose erstellen müssen, um nachzuweisen, dass keine Insolvenzantragspflicht besteht. Eine Fortführungsprognose basiert allgemein auf dem Fortführungswillen der Beteiligten und auf einem umsetzbaren Finanzplan sowie einem schlüssigen, realisierbaren Unternehmens- bzw. Sanierungskonzepts für die nächsten 12 Monate. Die bekannten rechtlichen Maßnahmen zur Beseitigung einer Insolvenzantragspflicht wie z. B. Rangrücktrittserklärungen für Gesellschafterdarlehen oder Patronatserklärungen können hierbei wie bisher eingesetzt werden. 

Im Anhang zum Jahresabschluss ist jetzt auch zwingend eine Aussage zur Unternehmensfortführung und zur Bilanzierung zu treffen (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB i.V.m. § 284 Abs. 2 HGB). Außerdem muss über eine wesentliche Unsicherheit i.Z.m. Ereignissen oder Gegebenheiten berichtet werden, die einzeln oder insgesamt bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen können. Damit soll sichergestellt werden, dass der Jahresabschluss ein zutreffendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt (§ 264 Abs. 2 HGB). Wird kein Anhang erstellt, müssen die Angaben an einer anderen geeigneten Stelle des Abschlusses erfolgen, z. B. unter der Bilanz.

Soweit das Unternehmen zur Aufstellung eines Lageberichts verpflichtet ist, ist im Lagebericht im Rahmen der Darstellung der voraussichtlichen Entwicklung auch über wesentliche bestandsgefährdende Risiken zu berichten (§ 289 Abs. 1 Nr. 4 HGB).

Außerdem rücken bei Unternehmenskrisen die gesetzlichen Aufstellungsfristen für den Jahresabschluss nach §§ 243 Abs. 3 bzw. 264 Abs. 1 S. 4 HGB in den Fokus. Zum Schutz von Gläubigern verlangt die Rechtsprechung von Unternehmen, die sich in einer Krise befinden, dass der Jahresabschluss „zeitnah und ohne schuldhaftes Zögern“ aufgestellt wird. In der Praxis bedeutet dies einen Zeitraum von 2 bis 3 Monaten nach dem Schluss des Geschäftsjahres.

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die aktuelle Rechtslage verschärft die Anforderungen an die Unternehmensführung, das Risikomanagement und die Bilanzierung von Unternehmen in der Krise. Die Anforderungen aus dem StaRUG betreffen zudem nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch den mit der Aufstellung beauftragten Berater. Neben erweitertem Going-Concern-Monitoring und erweiterten Beurteilungspflichten muss die Geschäftsführung erweiterte Angabepflichten für den Abschluss beachten. Zudem gelten in der Krise kürzere Aufstellungsfristen.

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